Studentengeschichte

Artikel 2

Reformation bis zur Revolution

Die Entwicklung neuer nationenähnlicher Formen begann schon früher, organisierte Formen gab es aber erst ab 1615. Diese neuen Nationen wurden später als "Landsmannschaften" bezeichnet. Die Landsmannschaften waren von der Universität unabhängige Institutionen, die sich entsprechend der geänderten politischen Situation (infolge der Reformation musste der Großteil der deutschen Universitäten die enge Bindung zur Kirche aufgeben und unterstand nun den Landesfürsten) nach landschaftlicher (landsmännischer) Herkunft gliederte. Demokratische Einrichtungen (Senior, Consenior, Fiscale, Pedellen, Convente) mit zunftmäßigem Charakter, studentisches Leben, genossenschaftlich-corporative Züge zeichneten eine Landsmannschaft aus. Sie bildeten den Comment aus (Regeln für den Umgang untereinander, Bräuche und Trinksitten, vorerst auch den Pennalstatus), trugen färbige Hutschleifen, führten Stoßdegen, huldigten dem Duell, Spiel und Tanz. Eine Verrohung der Sitten nach dem 30-jährigen Krieg (1648 Westfälischer Friede), eine förmliche Duell- und Trunksucht sowie die bereits erwähnte Abschaffung des Pennalzwanges führten zum allmählichen Niedergang der burschlichen Vorherrschaft. Die Zugehörigkeit zur Landsmannschaft (Pflichtzugehörigkeit) endete mit dem Exmatrikulieren. Eine Art Altherrenbund oder Lebensbundprinzip gab es nicht. In österreichischen Erblanden spielen die Landsmannschaft kaum eine Rolle.

Eine besondere Bedeutung in der weiteren Entwicklung kam den der Freimaurerei verwandten "Studentischen Orden" zu. Sie entstanden Mitte 18. Jhdt. (Göttinger Konkordienorden, 1770) im offenen Gegensatz zu den Landsmannschaften. Unter dem Einwirken der Aufklärung bildeten sich Verbindungen, die sich wahre Freundschaft und Beglückung der Menschheit zum Ziel setzten. Sie umgaben sich zum Schutz vor den Nachstellungen der Landsmannschaft und dem Misstrauen der Behörden mit viel Geheimniskrämerei: Schweigepflicht, Zirkel (vorerst nur als verschlüsselter Wahlspruch) und Chargenzeichen wurden eingeführt, neues Liedgut entstand (z.B. Mozarts "Brüder reicht die Hand zum Bunde"). Sie schufen ein "Bruderstatut", in dem erstmals festgelegt wurde, dass gegenseitige Dienste anerkannt und erwidert werden müssen. Als äußeres Zeichen trugen sie ein Ordenskreuz, in welchem Wahlspruch (Abkürzung), Ordensart und Gründungsdatum eingetragen waren. Durch die Einführung des Freundschaftsprinzips und des Leibburschentums veredelten sie die bisherigen studentischen Bräuche. Mystisches Zeremoniell, überspitzte Ehrauffassung - folglich ständige Duelle, Verrufe, Beschimpfungen und übertriebene Geheimniskrämerei bescherten den Orden den Untergang, einerseits infolge von Verboten, andererseits durch Selbstauflösung. Trotz Anfechtungen haben zahlreiche von den Orden entwickelte Formen und Bräuche Eingang in das heutige Korporationswesen gefunden. Letzte Spuren von ihnen fänden sich 1819 in Prag. Aus der Verschmelzung von Landsmannschafts- und Ordensprinzipien entstand eine neue Form, sog. "renovierte Landsmannschaft", für die später der Begriff "Corps" (:kohr:) aufkam.